Geschichte
Gründung
Gut Ding will keine Weile haben. Auch die Jurassia hat nicht von einem Tag auf den andern Gestalt angenommen; es bedurfte vielmehr grosser Anstrengungen, bis das mit jugendlichem Optimismus auf Kiel gelegte Jurassenschiffchen wohl ausstaffiert in Fahrt kam. Am 22. Mai 1889 wird die Brauerei Merian als Sitzungslokal bestimmt und die Verbindung auf den Namen „JURASSIA“ getauft. Am 5. Juni des gleichen Jahres wurde der Zirkel genehmigt und am 14. Juni 1889 als Farben blau-silber-rot mit Silberperkussion angenommen, wobei man sich allerdings entschloss, vorerst nur Bierzipfel zu tragen. Einzig auf der Kneipe erschien man mit Band, aber ohne Mütze. Die Devise „Unita virtus valet“ und der Couleurpfiff („Noch ist die blühende goldene Zeit“) datieren vom 19. Juni 1889, wie auch die (inzwischen längst überholte) Bestimmung, dass die Füxe auf ihre Kosten „den für den zweiten Act benötigten Tabak“ herbeizuschaffen haben. Erst am 9. Mai 1890 konstituierte sich die Jurassia als farbentragende Verbindung mit dem Prinzip „Amicitia, virtus, patria“ (seit 13. Juni in der verdeutschten Form „Treue, Ehre, Vaterland“), und am 24. Mai versammelte sich erstmals ein Trüpplein Rotbemützter zur solennen Farbenweihe, der am 15. Juli der Beschluss folgte, zwecks Anschaffung einer Fahne 1'000 Franken aufzunehmen. Nachdem man am 27. Mai 1891 den von Hans Philippi verfassten und von Wilhelm Grütter komponierten Farbenkantus genehmigt hatte, schritt man vom 5. Bis 8. Juni zur ersten Fahnenweihe. Vorgängig, am 2. Juni, fand das erste „Lenzburgfest“ statt. Damals wurde die steiffe, konische Mütze durch die weiche ersetzt, der 1894/95 die niedrige mit weiss-blauem Band und 1919 (aufgrund heraldischer Einwände) mit dreifarbenem Band folgte. Mit vom 16. Bis zum 21. Juni (!) dauernden Feierlichkeiten wurde 1905 die zweite, etwas bescheidener, nämlich am 6./7. Juni 1931 und vom 21. –23. Juni 1957, die dritte und vierte Fahne geweiht.
Selbstredend waren die mehr äusserlichen Belange nicht die einzigen, die es zu regeln galt. Dem Sprung ins romantische Dasein musste ein wohlabgewogenes Ziel gegeben werden. So beschäftigte denn die zahllosen Convente der Gründerzeit vor allem das „Wie“. Biercomment, Farbencomment, Statuten mussten ausgearbeitet werden und insbesondere der Kurs ausgemacht werden, den das Jurassenschiffchen steuern sollte. Was schliesslich dabei herauskam, war des Schweisses der Edlen wert und ist in dem am Schluss dieses Abrisses zitierten Zweckparagraphen der Statuten in knappster Formulierung festgehalten.
Studentisches Fechten
Ein sehr wesentlicher Punkt, der immer wieder die Gemüter erhitzen und im Laufe der Jahrzehnte zu mancher Statutenrevision Anlass geben sollte, war das Fechten. Dem Grundsatz „mens sana in corpore sano“ versuchte die Jurassia von Anbeginn an nachzuleben, und es kam nicht von ungefähr, dass man am 1. November 1913 beschloss, eine eigene Ski- und Wanderhütte zu schaffen (das Ferienhaus „Plätz“ auf dem Stoss, bzw. seit 1962 das „Askalon“ auf der Melchsee-Frutt). Diese erfreut sich denn auch noch heute grosser Beliebtheit. Was das Fechten betrifft, so war auch hier die grosse Frage stets weniger das „Ob“ als das „Wie“. Die Achtung vor der persönlichen Überzeugung jedes einzelnen liess die junge Verbindung zunächst das Prinzip der Neutralität wählen, die, unterbrochen durch eine Periode mit bedingter Satisfaktion vom 17. Dezember 1897 bis 9. Juli 1899, bis zum 18. November 1911 andauerte, d.h. bis zur Einführung der unbedingten Satisfaktion. Mit der Statuten-revision vom 11. Februar 1922 wurde die unbedingte Satisfaktion umgewandelt in „unbedingte Ehrenreparation“, wohl nicht zuletzt darum, weil die depressive Zeit der Nachkriegsjahre zu allzu grossen Nachwuchsschwierigkeiten führte. Leider hatte man damit den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben: die Jurassia wurde vom Kreise der schlagenden Verbindungen isoliert, bis schliesslich am 1. Juli 1939 der Fechtclub der Jurassia mit unbedingter Satisfaktion und eigener Kommission gegründet und dann in den SWR aufgenommen wurde.
Kartelle
In engem Zusammenhang mit der Entwicklung des Fechtens in der Jurassia stehen zwei der für kürzere bis längere Zeit zustandengekommenen Kartelle. Als erstes kam es am 29./30. Juni 1889, anlässlich einer Zusammenkunft in Langenthal mit der Halleriana Bern, zur Konstituirung eines Kartells akademisch-naturwissenschaftlicher Vereine der Schweiz, das jedoch schon am 18. Oktober 1890 wieder aufgelöst wurde, also noch zu jener Zeit, da die Burschen der Jurassia zum Vollwix straussfeder-geschmückte Samtbarette und bei Eislauf und Schlittenpartien Pelzcerevice trugen. Es folgte am 5. Juni 1909 das „blau-weiss-rote“ Kartell mit e.V. Neu-Zofingia Zürich. Ein Kartell mit Halleriana-Manessia wurde im Wintersemester 1924 abgelehnt und am 16. Dezember 1929 schlug die letzte Stunde des längst nicht mehr recht florierenden blau-weiss-roten Kartells. Mitte der dreissiger Jahre gelang es dann, mit der Rhenania Zürich den CFC, den Convent freischlagender Corporationen zu gründen, dem jedoch nur ein kurzes Leben beschieden war. So steht die Jurassia heute wieder unverschwistert da als ein Konglomerat von Erz-Individualisten, die dank dem Grundastz einer kraftvollen Toleranz gerade das verbindet, was sonst gerne trennend wirkt, und die, allen widrigen Zeitläufen zum trotz, unverbrüchlich an jenem Geiste festhalten, der seit eh und je den Kurs der Jurassia bestimmt hat.
Und heute ?
„Die Studentenverbindung Jurassia ist eine Lebensverbindung. Sie setzt es sich zur Aufgabe, fern von politischen, sozialen und religiösen Parteibestrebungen und bei gegenseitiger Achtung der freien Überzeugung des Einzelnen, ihren Mitgliedern ein auf studentischen Grundsätzen beruhendes geselliges Leben zu bieten. Gemäss dem Wahlspruch: „Treue, Ehre, Vaterland“ sucht sie in ihren Mitgliedern Wahrheitsmut und männliche Selbständigkeit wach zu halten, im Hinblick auf Freundschaft fürs Leben, in Hochhaltung der freien Wissenschaft und zum Wohle des Vaterlandes.“ (Zitat aus: „Die farbentragenden Verbindungen der Universität Basel“; Festschrift des Delegierten-Convents zum 500-jährigen Bestehen der Universität Basel; Basel; 1960)